Am 24. März 2017 fällte das BGH ein weiteichendes Urteil. Die Richter bezogen sich in ihrer Begründung auf geltendes EU Recht und erklärten die bis dato bestehende Preisauszeichnungspflicht für in Schaufenstern präsentierte Waren als nichtig. Anlass war die Klage der Wettbewerbszentrale, die einen Hörgeräteakustiker zur juristischen Verantwortung gezogen hatte, weil er die in seinem Schaufenster ausgestellten Hörgeräte nicht mit deutlich sichtbaren Preisen gekennzeichnet hatte.
Ende der Preisauszeichnungspflicht im Schaufenster vom BGH besiegelt
Seit vielen Jahren mussten alle im Einzelhandel ausgestellte Waren nach der geltenden Preisauszeichnungsverordnung mit einer gut lesbaren Preisauszeichnung versehen werden. Das Wettbewerbsrecht verpflichtete die Händler, ihre Preise nach gesetzlich festgelegten Statuten zu kommunizieren. Jeder, der gewerbsmäßig Waren oder Dienstleistungen an Endverbraucher zum Kauf offeriert oder mit der Angabe von Preisen für seine Produkte wirbt, unterliegt der Preisauszeichnungspflicht. Diese besagt, dass der Preis inklusive der gesetzlich anfallenden Umsatzsteuer und aller möglicherweise anfallenden zusätzlichen Kosten angegeben werden muss.
Das galt auch für in Schaufenstern ausgelegte Waren. Die Angabe des sogenannten Endpreises war zwingend obligatorisch. Als Endverbraucher gilt dabei jeder, der Waren oder Dienstleistungen für den privaten Verbrauch erwirbt. Für den Großhandel, der sich an gewerbliche Abnehmer richtet, galt keine Preisauszeichnungspflicht.
Das sagt die Verordnung im Detail
Die angegebenen Preise müssen zweifelsfrei den entsprechenden Waren oder Dienstleistungen zugewiesen werden können. Weiterhin müssen sie gut lesbar und leicht zu erkennen sein. Auch Waren, die in Schaufenstern oder Schaukästen ausgestellt werden, unterlagen bisher der Preisauszeichnungsverordnung. Sie mussten durch Preisschilder oder eine entsprechende Beschriftung gekennzeichnet werden.
Nach einer neu zu interpretierenden Sachlage im Wettbewerbsrecht dürfte sich die Preisauszeichnung im Einzelhandel in der Zukunft anders gestalten. Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einer von der Wettbewerbszentrale geführten Klage, dürfte für viele Änderungen sorgen.
Welche Umstände führten zum Ende der Preisauszeichnungspflicht?
Ein Fachhändler für Hörgeräte hatte einige Modelle ohne weitere Kennzeichnung von außen gut sichtbar in seinem Fenster dekoriert. Die Wettbewerbszentrale sah darin einen eindeutigen Verstoß gegen die Preisauszeichnungspflicht. In dem Verfahren wurde die fehlende Preisauszeichnung der Hörgeräte rechtlich neu bewertet. Die Wettbewerbszentrale scheiterte bereits im Vorfeld an der Durchsetzung ihrer Klage, da die Vorinstanzen diese abwiesen. Grund war die einfallbezogene Begründung, dass es sich bei Hörgeräten um komplizierte und beratungsintensive Produkte handele, deren Endpreis nicht ohne eine ausführliche, persönliche Offerte zu bestimmen sei. Die Vertreter für das Wettbewerbsrecht bewerteten dies allerdings anders und sahen im Verhalten des Geschäftsbetreibers eine Verletzung der Pflicht zur Preisauszeichnung im Einzelhandel.
Nachdem sich die Wettbewerbszentrale mit der Zurückweisung der geführten Klagen nicht zufriedengeben wollte, blieb als letzte Instanz der Weg vor den Bundesgerichtshof.
Der BGH zog nun in seiner Urteilsbegründung die EU-Preisangabenrichtlinie 98/6/EG für eine abschließende Beurteilung heran. In der Preisangabenrichtlinie wird die Art und Weise definiert, wie eine Preisauszeichnung bei Schaufensterwerbung zu gestalten ist. Eine grundlegende Verpflichtung, dass überhaupt eine für den Schaufensterbereich geltende Preisauszeichnung im Einzelhandel erfolgen muss, gibt es allerdings nicht. Es wird lediglich festgelegt, wie die Auszeichnung mit Preisen vorzunehmen ist, nicht aber, dass eine solche generell erforderlich ist.
Entschließt sich der Unternehmer im Einzelhandel Preise anzugeben, müssen sie den vorgegebenen Richtlinien entsprechen. Eine Preisauszeichnungspflicht lässt sich hieraus allerdings nicht ableiten. Die Pflicht zur Preisauszeichnung nach § 4 Abs. 1 PAngV besteht nach Ansicht der Richter des BGH nicht, wenn nicht sogleich eine Preisaussage hinzutritt, die das umworbene Publikum bereits als Angabe des Verkaufspreises werten darf (BGH, Urteil vom 10. November 2016, Az. I ZR 29/15).
Daraufhin erklärte die betroffene Wettbewerbszentrale in einer Pressemitteilung, dass damit praktisch die per-se Verpflichtung zur Preisauszeichnung für im Schaufenster präsentierte Ware entfällt, unabhängig davon, ob die angebotenen Produkte nun besonders beratungsintensiv seien oder nicht.
Ein Urteil und seine möglichen Folgen
Wie das Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale Peter Brammen ausführte, entfällt für den Einzelhandel eine sicherlich aufwändige Verpflichtung. Andererseits würden dem Verbraucher wichtige Informationen über die Preisgestaltung vorenthalten. Nach Einschätzung der Wettbewerbszentrale dürfte das Urteil daher auf geteilte Meinungen stoßen. Der Richterspruch beinhalte eine Absenkung des Schutzniveaus der Verbraucher auf den Standard der EU-Preisangabenrichtlinie. Die bisherige Praxis, eine möglichst hohe Transparenz bei der Preisauszeichnung im Einzelhandel zu erreichen, sehen Kritiker durch das BGH Urteil in Frage gestellt und die Wirksamkeit des Preiswettbewerbs gefährdet.
Weniger Pflichten bedeutet nicht, die Möglichkeiten einzuschränken
Auch wenn man den Skeptikern in ihrer Argumentation in dem einen oder anderen Punkt zustimmen kann – letztlich obliegt es der Entscheidung des Einzelhandels, ob man auf eine Preisauszeichnung verzichtet. Es gibt viele gute Gründe, diese nach wie vor beizubehalten. Das Ende der Preisauszeichnungspflicht in Schaufenstern ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende von klar kommunizierten Preisen.
Zu den Erkenntnissen der Verkaufsstrategien zählt auch, dass die Kaufbereitschaft beim Kunden durch eine klar erkenntliche Preisgestaltung gefördert wird. Verbraucher kaufen Produkte sehr viel eher, wenn sie vorher wissen, was diese kosten. Es könnte sich daher sogar negativ auswirken, wenn der Einzelhandel auf eine Auszeichnung mit gut ersichtlichen Preisen verzichtet. Schließlich kann die Preisauszeichnung im Einzelhandel nicht nur das Kaufverhalten positiv beeinflussen, sondern auch als effizientes Werbemittel eingesetzt werden. Insbesondere in Schaufenstern bergen Preisangaben viel Potenzial und können vorbeigehende Passanten im Idealfall zum Betreten des Ladenlokals animieren. Das sehen auch die Experten des Gründerlexikons so: Klare Preisangaben können ein wichtiges Mittel zur Verkaufsförderung sein.
Schlussendlich handelt es sich darüber hinaus lediglich um einen Wegfall der Preisauszeichnungspflicht in Schaufenstern. Das Urteil des BGHs bedeutet ja kein Verbot, Waren in Schaufenstern und Schaukästen mit Preisetiketten auszuzeichnen. Es entfällt lediglich eine bei Nichterfüllung von behördlichen Vorgaben von Bußgeldern bedrohte Verpflichtung. Das Gründerlexikon vertritt die Meinung, dass die Verbraucher im Zweifelsfall auch mündig genug seien, um nach einem Preis zu fragen. Für Unternehmer bedeutet das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Ende der Preisauszeichnungspflicht in Schaufenstern eine deutliche Erleichterung. Es besteht allerdings keinerlei Anlass zu der Befürchtung, dass Verbraucher einen echten Nachteil daraus ziehen werden.